Vier-Tage-Schulwoche in Sachsen-Anhalt soll kommen

08. Juli 2022, 12:56 Uhr

Für Schüler klingt es nicht schlecht: Nur noch vier Tage pro Woche in der Schule lernen. Tatsächlich plant das Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt genau das. Was steckt hinter dem Plan, was sagen die Eltern dazu?

Vier Tage lernen und dann?

Es ist zunächst kein Muss, nur eine Option: Ab dem neuen Schuljahr können Schulen in Sachsen-Anhalt ab der fünften Klasse ihre Schüler nur noch vier Tage pro Woche unterrichten. Am fünften Tag sollen die Schüler dann entweder in einem Praktikum beschäftigt werden oder Online-Unterricht erhalten. Was erstmal gut und nach einer entspannten Schulwoche klingt, wird von Lehrern und der Opposition im Landtag scharf kritisiert, etwa als versteckter Unterrichtsausfall wegen des Lehrermangels. Bildungsministerin Eva Feußner von der CDU wiederspricht dem in einem Bericht des Magazins Spiegel entschieden:

Das Modellprojekt versteht sich explizit nicht als Instrument gegen den Lehrkräftemangel.

Praktisch wird es schon gemacht

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Und zwar an einigen Modellschulen in Sachsen-Anhalt. Auch an Schulen, die ab dem Herbst freiwillig mitmachen, sollen das eher einen Modellcharakter haben. Laut dem Bildungsministerium Sachsen-Anhalt können mit dem Projekt Freiräume in der konzeptionellen Unterrichtsgestaltung geschaffen werden. Lehrer befürchten allerdings ein tiefes Eingreifen in die Struktur des Bildungssystems.

Kritik von den Eltern und der Opposition

Der bildungspolitische Sprecher der Linken in Sachsen-Anhalt, Thomas Lippmann kritisiert das Projekt scharf:

Es ist im Grunde ein Eingeständnis, dass die Schulen keine Lehrer mehr für eine Fünf-Tage-Schulwoche haben.

Er warnt davor, dass die Modellschulen nur Wegbereiter für einen tiefgreifenden Wandel im Schulsystem sind:

Hier werden schul- und arbeitsrechtliche Strukturen ausprobiert, die dazu führen können, dass wir zukünftig nur noch 70 bis 80 Prozent des heutigen Pflichtunterrichts haben.

Und auch die Eltern der zukünftig betroffenen Schüler können dem nichts abgewinnen:

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Was machen die Lehrer am 5. Tag? Was soll nur aus unseren Kindern mal werden,

fragt eine Mutter bei MDR AKTUELL. Praktisch stellt sich nämlich auch die Frage, wie berufstätige Eltern eine Betreuung ihrer Kinder zu Hause oder gar die Fahrten zum Praktikum organisieren sollen.

Toll, müssen die Eltern dann jede Woche auch nur noch ein Tag frei haben?

fragt Steffen auf dem Twitter-Account von MDR AKTUELL.

Auch Sachsen-Anhalt sucht schon lange dringend nach Lehrkräften

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Etwa 1000 Stellen sollen insgesamt besetzt werden. Dieser Plan ist nicht neu: Schon 2017 hatte die Landesregierung in Sachsen-Anhalt nach massiver Kritik von Eltern und Lehrern an fehlenden Kräften ein ähnliches Ziel ausgegeben. Aktuell hat das Bildungsministerium mehrere hundert Stellen für Lehrkräfte, Vertretungen und Pädagogische Mitarbeiter ausgeschrieben, alle unbefristet. Dazu erklärt die Bildungsministerin:

Die Landesregierung wird die begonnene Lehreroffensive auch in dieser Legislaturperiode fortsetzen. Auch die Zahl der pädagogischen Mitarbeiter und Schulverwaltungsassistenten werden wir erhöhen, um die Lehrkräfte zu entlasten.

Ein Erfolg ist dringend nötig

Wido Geis-Thöne, Experte des Instituts der Deutschen Wirtschaft, sagt gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen noch größeren Lehrermangel voraus:

In vier bis fünf Jahren werden wir das große Drama erleben.

Ob die Vier-Tage-Schulwoche das Lehrerproblem lösen kann, und wie die Eltern mit der Situation umzugehen bereit sind, bleibt abzuwarten.

Dieses Thema im ProgrammMDR JUMP Bei der Arbeit | 08. Juli 2022 | 13:40 Uhr