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Jede zehnte Frau ist von der Fettverteilungsstörung betroffen: Was ist ein Lipödem?

09. Juli 2022, 00:00 Uhr

Eine YouTuberin die Hunderttausende mit ihren Schönheitsvideos in ihren Bann gezogen hat, macht öffentlich, dass sie unter einer chronischen Krankheit leidet. Das Besondere daran: Millionen Menschen in Deutschland, vor allem Frauen, haben das Leiden ebenfalls. Warum ist so wenig über das Lipödem bekannt?

Beauty-Videos mit Schmink- und Frisiertipps, damit ist Youtuberin DominoKati bekannt geworden. Schon im Alter von 16 Jahren legte sie los, heute hat sie fast 800.000 Follower. Doch seit einiger Zeit macht die junge Frau anderweitig Schlagzeilen: Sie will für Aufklärung über eine Krankheit sorgen, von der sie seit einiger Zeit weiß, dass sie sie hat. Es handelt sich um das sogenannte Lipödem, ein chronisches Leiden, bei dem es im Körper eine gestörte Fettverteilung gibt.

„Meine größte Problemzone waren eigentlich immer die Beine“, erinnert sie sich. Doch bis zur Diagnose tappte DominoKati im Dunkeln. Dabei war sie tatsächlich krank. Zuschauer wiesen die schließlich darauf hin, sich ärztlichen Rat zu holen.

Ich dachte einfach, ich bin fett.

Fast nur Frauen betroffen

Das Lipödem tritt vor allem an Beinen, Hüfte, Gesäß und in einigen Fällen auch an den Armen auf. Hier vermehren sich im Fettgewebe der Unterhaut unkontrolliert die Zellen – und zwar symmetrisch, also jeweils an beiden Armen oder Beinen. Betroffen sind fast nur Frauen. Schätzungen zufolge sind in Deutschland zwei bis vier Millionen Menschen erkrankt. Es ist aber durchaus möglich, dass es eine hohe Zahl unerkannter Fälle gibt, weil selbst Ärzte die Erkrankung mit einem Lymphödem oder Adipositas verwechseln können. So kann es sein, dass ein Lipödem teils über Jahrzehnte undiagnostiziert geblieben ist. Die Krankheit ist einfach bis heute vielfach unbekannt.

Das Lipödem ist nicht nur eine ästhetische Frage, die Betroffenen haben oft auch große Schmerzen, etwa nach langem Sitzen oder Stehen. Das hat mit Wassereinlagerungen, sogenannten Ödemen zu tun, die sich zwischen den Fettzellen bilden. Die Bereiche schmerzen bei Berührung. Selbst nach kleinen Stößen bilden sich schon blaue Flecken aus.

Genaue Ursachen bis heute unklar

„Problematisch ist nicht nur die unkontrollierte Vermehrung der Fettzellen, sondern auch die schmerzhaften Entzündungsreaktionen darin“, beschreibt Stefan Rapprich von der Hautmedizin Bad Soden. „Der Verlauf, das Ausmaß, und die Dynamik eines Lipödems kann nicht vorhergesehen werden und variiert von Patienten zu Patienten“, heißt es bei der Deutschen Lipödem Gesellschaft.

Die genauen Ursachen des Lipödems sind bisher noch unklar, Expertinnen und Experten gehen aber von hormonellen Auslösern aus. Besonders im Blick steht das Östrogen. Die Fettzellen haben nämlich auf ihrer Oberfläche spezielle Rezeptoren, die auf das Hormon reagieren. Auch eine genetische Komponente scheint es zu geben.

Das Problem: Die Fettansammlungen lassen sich durch Diäten oder Sport nicht reduzieren. Das wiederum kann psychisch sehr belastend sein – wenn man sich anstrengt und anstrengt, sich das Erscheinungsbild aber nicht verändert. Auch Massage und Hochlagern der Beine verbessern die Lipödem-Symptome meist kaum.

Die Krankheit verläuft in drei Stadien. Nur im dritten, also dem schwersten Stadium wird das Absaugen des Fettes bei einer Operation derzeit von der Krankenkasse bezahlt. Das betrifft Patientinnen, die teils so immobil sind, dass sie einen Rollator oder Rollstuhl benötigen.

„Lebensbedrohlich ist ein Lipödem nicht, aber unbehandelt kann es die Lebensqualität stark beeinträchtigen“, sagt Experte Rapprich. Die aktuelle Regelung läuft erst einmal bis 2024, dann wird wieder entschieden. Außerdem gibt es Ausnahmen für zu stark übergewichtige Personen. In diesem Fall muss vor der Fettabsaugung erst die Adipositas behandelt werden.

Wer nicht ganz so stark betroffen ist, für den können zum Beispiel Kompressionsstrümpfe und regelmäßige Lymphdrainagen Erleichterung bringen.  „Die Lipödem-Community wird im Stich gelassen“, sagt Youtuberin DominoKati. Sie fordert eine bessere Kostenübernahme für die OPs.

Zusätzlich bemühe sie persönlich sich, zumindest neutral mit ihrem Körper umzugehen. Sie sagt: „Ich muss nichts alles an mir feiern. Ich muss nichts hassen.“

Dieses Thema im ProgrammMDR JUMP am Wochenende | 10. Juli 2022 | 15:30 Uhr