Bildrechte: Colourbox.de

Clean Eating - Was hat es mit dem Trend auf sich und wie funktioniert das im Alltag?

04. Juni 2022, 00:00 Uhr

Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages. Das ist nur eine von vielen Vorgaben der Clean-Eating-Bewegung. Forschende sehen einige Kritikpunkte, aber auch viel Gutes bei diesem Food-Trend.

Margaret McCartney war so richtig sauer. In einem Beitrag für die Fachzeitschrift „British Medical Journal“ hatte sich die schottische Ärztin mit einem Food-Trend befasst, der seit einiger Zeit populär geworden ist: dem Clean Eating. Dabei geht es darum, vor allem frische und naturbelassene Lebensmittel zu sich zu nehmen, die besonders schonend zubereitet wurden. Ausgedacht hatte sich das Ganze die kanadische Bodybuilderin und Fitnesstrainerin Tosca Reno. Und der Katalog der Regeln ist recht lang: Obst und Gemüse gehören demnach zu jeder Mahlzeit, Zucker ist dagegen ein Problem, Weißmehl und raffinierte Fette ebenso. Das gleiche gilt für alle Speisen mit mehr als fünf Zutaten - oder solche, für die Unaussprechliches verwendet werden muss.  

Das heißt, Clean Eating hat nichts mit der Hygiene zu tun, sondern mit dem Verzicht auf bestimmte Speisen, Zusatzstoffe und Herstellungsweisen. Als wichtigste Mahlzeit gilt das Frühstück. Dazu sollten möglichst viele kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt kommen. Außerdem wird zu viel Wasser und grünen Smoothies geraten.

Zwanghafte Besessenheit von gesunder Ernährung?

Reno hatte 2006 diesen Trend begonnen – und erklärt, dass sie auf diese Weise ihr starkes Übergewicht überwunden habe. Aber nicht nur das: Anhänger des Clean Eating argumentieren, dass sie durch die entsprechende Ernährung auch ein besseres Körpergefühl und eine höhere Leistungsfähigkeit hätten. Und genau das sah McCartbey in ihrer Stellungnahme als nicht belegt an: „Dieser Nonsens“, schrieb sie mit Blick auf das Clean Eating, „basiert auf einer losen Interpretation von Fakten und dem Wunsch, das Streben nach Wellbeing zu einer obsessiven Ganztagsbeschäftigung zu machen.“ In Wahrheit handle es sich um eine Form der Orthorexia nervosa, also der zwanghaften Besessenheit von gesunder Ernährung.

Ähnlich kritisch äußerte sich auch der britische Koch Anthony Warner („The Angry Chef“). Er kritisierte Aspekte des Clean Eatings als unwissenschaftlich. Dazu gehöre die angebliche Entgiftung und Entsäuerung mittels grüner Smoothies. In der Tat gibt es keine Gifte, die den Darm verschlacken, oder Säuren, die sich bei Gesunden im Gewebe absetzen. „Gedanken von Giftigkeit, Krankheit und Angst, wenn es um Essen geht, sind schädlich. Denn Essen sollte Freude bereiten“, so Warner. Und extreme Restriktionen könnten zu Mangelernährung und Essstörungen führen.

Das Problem: Beim Clean Eating besteht zumindest die Gefahr, sich womöglich nicht ausgewogen genug zu ernähren. Wer zum Beispiel nur noch Obst und Gemüse, Nüsse und Samen zu sich nimmt, bekommt zwar genug Vitamine, Ballaststoffe und Mineralien – zum Beispiel Kohlenhydrate kommen dann aber zu kurz.

Sinnvolle Ratschläge

Wobei viele Ratschläge eben doch ziemlich sinnvoll sind. Frisch zu essen, selbst zu kochen mit viel Gemüse und Vollkorn und wenig Fett – das erinnert an die Vollwerternährung, die vor rund 40 Jahren von Claus Leitzmann an der Universität Gießen entwickelt wurde und bis heute die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) prägt.

Dazu kommen ein paar neue, zumindest in Teilen der Gesellschaft verankerte Aspekte: Industriekritik und Rückbesinnung auf Traditionelles aus Omas Küche, bewusster Konsum, Gesundheitsorientierung und Nachhaltigkeit zum Beispiel. Julia Fischer vom Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) sagt: „Hier wurde Altbekanntes neu verpackt. So kommt etwa das altbewährte Frischkornmüsli als ‚Overnight Oats‘ daher, das mit Superfoods ergänzt wird.“ Wobei gerade der Zusatznutzen von diesen sogenannten Superfoods wie Quinoa, Chiasamen oder Goji-Beeren unter vielen Experten eher kritisch gesehen wird.

Dass aber der Verzicht auf Zucker dem Körper Vorteile bringt, dass Vollkorngetreide statt Weißmehl sinnvoll ist, dass reichlich Obst und Gemüse guttut – das steht nicht in Zweifel. Weniger eindeutig ist die Lage bei anderen Aspekten des Clean Eating. Für einen Gesundheitsnutzen des ausgiebigen Wassertrinkens gibt es keine hinreichenden Belege. Auch die generelle Verteufelung von Zusatzstoffen wie Farb-, Aroma- oder Konservierungsstoffe lässt sich faktisch nicht halten, auch wenn einige Substanzen wie Benzoesäure oder Phosphor unter bestimmten Umständen sehr wohl problematisch sein können.

Was bleibt also unter dem Strich? Clean Eating hat sinnvolle Aspekte, sich sklavisch an die Regeln zu halten, ist dagegen nicht sinnvoll. „Es ist keine extreme Ernährungsform wie zum Beispiel bei einer Low-Carb-Ernährung. Es ist eine ausgewogene Mischkost“, so Ernährungswissenschaftler Daniel König von der Universität Freiburg.

„Es gibt auf die Frage, wie gesundes Essen funktioniert, keine wissenschaftlich abgesicherte Antwort“, bilanziert der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop. „Das ist das große Problem in der Ernährungsforschung. Gesunde Ernährung ist möglich, keine Frage, aber die sieht für jede Person anders aus.“

Dieses Thema im ProgrammMDR JUMP am Wochenende | 05. Juni 2022 | 11:50 Uhr