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Das Ende des Einkaufs-Chips – so werden wir in Zukunft einkaufen

26. Juni 2022, 10:00 Uhr

Sie helfen dabei, die Einkäufe vom Regal zur Kasse  zu bringen – und später oft auch zum Auto: Einkaufskörbe sind Alltagsgegenstände. Doch sie könnten schon bald interessante Veränderungen erfahren.

Rund 20 Millionen Einkaufswagen rollen, grob geschätzt, durch die Supermärkte in Deutschland. Bei einer Lebenszeit von bis zu zehn Jahren legt jeder von ihnen bis zu 40.000 Kilometer zurück. Immer wieder werden auch welche geklaut und irgendwo in der Landschaft stehen und liegen gelassen.

Die Handelsunternehmen haben sich deswegen im Westen ab Mitte der Achtziger und bei uns nach der Wende entschlossen, Diebstahl und Vandalismus mit einem Pfandsystem zu bekämpfen.

Diese Lösung mit Münzen oder Chips hilft auch nicht in allen Fällen, sie hat das Problem aber zumindest etwas eingedämmt. Inzwischen denken die Firmen aber darüber nach, welche technischen Lösungen in Zukunft zum Einsatz kommen können.

Denkbar ist, dass zum Beispiel Smartphones oder -watches zum Entsperren eingesetzt werden könnten. Die Technik dafür existiert, entwickelt unter anderem vom deutschen Marktführer Wanzl.

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Entsperren mit Bluetooth oder NFC

Man müsste einen QR-Code scannen, ein Programm auf dem Handy installieren beziehungsweise öffnen und schon würde der Wagen per Bluetooth fahrbereit gemacht.

Diese Funktion ließe sich in die zahlreichen Apps integrieren, die Handelsunternehmen wie Edeka, Netto Marken-Discount, Lidl, Penny, Rewe, Real oder Aldi inzwischen veröffentlicht haben, auch um auf diese Weise mehr Einkaufsdaten ihrer Kunden abgreifen zu können.

Auch der Self-Checkout, also das selbstständige Zahlen an automatischen Kassen wird mit den Apps vereinfacht.

Für Supermärkte ist an den neuen Einkaufswagen interessant, dass sie gar nicht unbedingt komplett neu sein müssen. Vorhandene Exemplare sollen sich durch einen einfachen Austausch des Griffs upgraden lassen. Ein Einkaufswagen an sich ist nämlich nicht ganz billig.

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Das Standardmodell schlägt mit etwa 100 Euro zu Buche, wenn es leisere Rollen oder ein beschichteter Griff sein sollen, sind eher 150 Euro fällig.

Auch das Unternehmen Geck aus dem Sauerland hat ein elektronisches Schloss für Einkaufswagen entwickelt. In diesem Fall wird statt Bluetooth die NFC-Technologie genutzt. Das hat den Charme, dass der Wagen keine Batterie braucht. Interessant für Supermärkte ist hier, dass die Wagen zum Beispiel nur während der Geschäftszeiten entsperren werden könnten.

Es gibt auch Kritiker

Nicht jeder ist freilich begeistert von der Entsperrung mit dem Smartphone. Ältere Menschen könnten damit genauso ein Problem haben wie auf den Datenschutz pochende Zeitgenossen. „Wir wollen mit Testphasen erste Markterfahrungen sammeln und schauen, wie das insgesamt ankommt“, heißt es dazu bei Wanzl.

Auf jeden Fall werde es wohl Jahre dauern bis zur großflächigen Verbreitung der Technik. Der Einkaufswagen mit digitalem Pfandschloss werde sich aber beim Verbraucher durchsetzen.

Der Einkaufswagen hat in den vergangenen Jahren verblüffend wenig Veränderung erfahren, am ehesten noch in Detailfragen. Das Gefährt an sich ist mehr als 80 Jahre alt. Der US-Geschäftsmann Sylvan Goldman hatte es im Jahr 1937 der Öffentlichkeit vorgestellt, als Clou in seinem "Humpty Dumpty"-Selbstbedienungsmarkt in Oklahoma City. „Leider war die Einführung ein Flop“, heißt es in einer Studie der Soziologin und Marktforscherin Catherine Grandclément.

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Zum Erfolg wurde der Wagen, als der Manager Models anheuerte, die das Gefährt durch den Laden schoben – und Kunden überredeten, dasselbe zu tun.

Der Wagen wurde dann von der Erfinderin Orla E. Watson weiterentwickelt. Sie hatte die Idee, dass nicht benutzte Exemplare so zusammengeschoben werden können, dass Platz gespart wird. Für Deutschland hatte sich der Unternehmer Rudolf Wanzl in den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts die ersten Patente gesichert.

Griffe als subtile Verführer zum Einkauf

Nun werden die Modelle, die über die Jahre vielfach auch immer größer geworden sind, sanft weiterentwickelt. Dazu gehört neben der Entsperrmöglichkeit auch die scheinbar banale Frage, wie die Griffe aussehen. Bekannt ist nämlich, dass uns die Gestaltung zu einem bestimmten Kaufverhalten verführen kann. Konkret geht es um die Position der Einkaufswagengriffe. 

Bei einer Studie hat sich gezeigt, dass bei einem normalen Einkaufswagen mit waagerechter Lenkstange Menschen im Schnitt weniger Geld ausgeben als bei einem Einkaufswagen mit parallelen Griffen, den man ähnlich wie eine Schubkarre bewegt. In diesem Fall konnte der Umsatz in Supermärkten um ein Viertel gesteigert werden.

Hintergrund ist wohl, dass jeweils verschiedene Muskeln beim Schieben des Einkaufswagens aktiviert werden. Beim Wagen mit parallelen Griffen ist das der Bizeps. Im Fall des Standard-Einkaufswagens mit horizontaler Griffstange spielt dagegen vor allem der Trizeps-Muskel im Oberarm eine Rolle.

Und dessen Aktivierung gilt Forschern als typische Vermeidungshaltung. Sie ist gedanklich eher mit Ablehnung oder Vermeidung verbunden, zum Beispiel, wenn Menschen etwas Unerwünschtes durch ausgestreckte Arme auf Abstand halten. Also, so die Erklärung, kauft man so auch weniger ein.

Dieses Thema im ProgrammMDR JUMP am Wochenende | 26. Juni 2022 | 14:20 Uhr