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Hochbett – Unterschätze Gefahr im Kinderzimmer?

10. September 2022, 00:00 Uhr

Es ist praktisch, weil es mehr Raum im Kinderzimmer bietet, doch ein Hochbett ist nicht ohne Risiken. Wann ist ein Kind alt genug für so ein Möbelstück?

Manch einer baut sie selbst, andere entscheiden sich für ein Modell aus den langen und bunten Angebotslisten der Möbelhäuser. Ein Hochbett im Kinderzimmer ist die ideale Verbindung zwischen Schlafen und Spielen: oben süße Träume, unten – oft etwas chaotischer – Spielspaß. Soweit jedenfalls die Theorie. Und tatsächlich sind Etagenbetten einfach sehr praktisch, bieten sie doch die Chance auf eine besonders effektive Raumnutzung. Außerdem lassen sich viele Modelle auch noch attraktiv gestalten. Wer will, kann sogar Seile oder Rutschen anbauen. Auch als Piraten-Unterschlupf oder Prinzessinnenschloss lassen sich moderne Hochbetten dekorieren.

Was so toll klingt, was so faszinierend aussieht, kann trotzdem Probleme machen. Darauf weisen jetzt Mediziner der Universität Leipzig hin. Sie warnen vor allem davor, dass sich junge Hochbettnutzerinnen und -nutzer verletzen können. „50 Prozent der Frakturen im Zusammenhang mit Unfällen aus diesen Betten hätte es bei uns gar nicht gegeben, wenn die Nutzung den Kindern unter sechs Jahren verboten worden wäre“, sagt Martin Lacher, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie am Universitätsklinikum Leipzig.

Weil der Mediziner und seine Kolleginnen und Kollegen zuletzt immer mehr Kinder behandelt hatten, die aus einem Hochbett gestürzt waren, entschieden sie sich, die konkreten Fallzahlen einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Im Fachmagazin „Medicina“ veröffentlichten sie ihre Ergebnisse. Dabei zeigte sich ein durchaus besorgniserregendes Gesamtbild. Die Zählung ergab zunächst, dass zwischen Januar 2014 und Dezember 2021 nicht weniger als 162 Patienten unter 18 Jahren in der Universitätsmedizin Leipzig behandelt wurden, die sich bei Stürzen aus Hochbetten etwas gebrochen hatten.

Jungen überdurchschnittlich häufig betroffen

Im Durchschnitt waren die behandelten Kinder demnach fünf Jahre alt - und überdurchschnittlich oft (60 Prozent) Jungen. Kleinkinder bis drei Jahre erlitten in 45 Prozent der Fälle Knochenbrüche. Hier ist es übrigens so, dass der Kopf im Verhältnis zum restlichen Körper noch schwerer ist – ein zusätzliches mögliches Problem. Im Alter zwischen drei und fünf Jahren waren es dann 50 Prozent Frakturen, bei den Sechs- bis Neunjährigen 60 Prozent. Erst ab dem Alter von zehn Jahren kam es bei Unfällen im Zusammenhang mit Etagenbetten nur noch in 30 Prozent der Fälle zu Knochenbrüchen.

Die häufigsten Frakturen erlitten die Betroffenen am Unterarm. Dann folgten Schlüsselbein und Oberarm. In sechs Prozent der Fälle trugen die Kinder sogar Schädelfrakturen davon. Immerhin 15 Prozent mussten operiert werden, gut jedes vierte Sturzopfer (26 Prozent) musste stationär behandelt werden. Zum Glück gab es zumindest keinen Todesfall – jedenfalls in Leipzig. Aus Berlin wurde im Jahr 2018 der Tod eines achtjährigen Mädchens gemeldet, dass wegen einer fehlenden Seitensicherung aus dem Hochbett gefallen war.

„Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder jünger als sechs Jahre besonders gefährdet sind. Erst ab zehn Jahren werden Brüche unwahrscheinlicher“, so Lacher. Der Ratschlag des Mediziners ist klar: „Wenn man solche Betten nutzt, sollten mindestens zwei Gitterstangen übereinander angebracht sein und Teppichboden im Kinderzimmer liegen.“

Kinderärzte raten von Nutzung im Vorschulalter ab

Der Verband der Kinder und Jugendärzte rät davon ab, dass Kinder im Vorschulalter schon in Hochbetten schlafen und verweist ebenfalls auf drohende Verletzungen an Kopf und Hals.

Mit einigen Hinweisen lässt sich die Gefahr immerhin verringern, wenn die Kinder nicht zu jung sind. Dass Bett und Leiter stabil befestigt sein müssen, versteht sich von selbst. Eine gute Befestigung des Bettes an der Wand verhindert übrigens auch, dass euer Kind beim Spielen zwischen Wand und Bett gerät. Ein Handlauf an der Treppe kann mehr Halt geben. Technische Mängel soll eine Zertifizierung nach den europäischen Sicherheitsnormen DIN EN 747-1 und 747-2 bieten.

Und noch ein praktischer Tipp: Lieber keine Federkernmatratze aufs Etagenbett legen. Die lädt nämlich zum möglicherweise gefährlichen Hüpfen ein. Bei einer Latexmatratze ist das eher nicht der Fall. Um in der Nacht auch sicher aus dem Bett klettern zu können, sollte das Kind aus dem Bett heraus eine Lampe anschalten können.

Gerade jüngeren Kindern fehlt das Gespür für das Risiko eines Hochbetts. Und besonders gefährlich können die Stapel-Schlafstellen für Kinder mit Gleichgewichts- und Motorikschwierigkeiten sein – und für Schlafwandler und Epileptiker. Vielleicht staunt ihr also die attraktiven Bilder in den Möbelhausreklamen an – und entscheidet euch am Ende dagegen, wenn es für eure Kids doch eher nicht passt.

Und wenn ihr euch doch für ein Hochbett entscheidet, dann achtet auch darauf, wie lange eure Kids es tatsächlich nutzen können – wenn sie zu groß werden, dann wird der Platz zwischen Kopf und Zimmerdecke nach und nach immer kleiner. Auch das ist eine mögliche Quelle von Verletzungen, die dann aber hoffentlich nicht mehr so gravierend ausfallen.

Dieses Thema im ProgrammMDR JUMP am Wochenende | 10. September 2022 | 09:40 Uhr