Schön angerichtetes Frühstücksbuffet mit Brötchen und Brot (Symbolbild)
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Glutenunverträglichkeit – Das steckt dahinter

30. Juli 2022, 00:00 Uhr

Einst gab es glutenfreie Lebensmittel nur im Reformhaus, doch längst stehen sie eigentlich in jedem Supermarkt. Und immer mehr Menschen ernähren sich glutenfrei. Doch was ist der Grund dafür – ein Trend oder eine Volkskrankheit?

Viele Brotsorten und Backwaren, die meisten Nudeln, Bier, aber auch Speiseeis, Chips oder Wiener Würstchen – in diesen Lebensmitteln kann sich das Eiweiß Gluten verstecken. Das liegt daran, dass für ihre Herstellung Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel und Grünkern, oder aber Gluten direkt verwendet wird. Und wer an einer Unverträglichkeit leidet, das Fachwort lautet Zöliakie, der muss auf diese Speisen ein Leben lang verzichten – sonst kommt es zu einer schweren entzündlichen Autoimmunreaktion, bei der die Darmschleimhaut in Mitleidenschaft gezogen wird.

Einzige Möglichkeit für Betroffene: Lebensmittel mit Gluten vermeiden

Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfälle – diese Symptome drohen schon bei kleinsten Mengen Gluten. Langfristig bilden sich zudem Ausstülpungen der Dünndarmhaut zurück. Das sorgt dafür, dass der Körper nicht mehr ausreichend mit Vitaminen und Nährstoffe versorgt werden kann. Folgeerkrankungen wie etwa Osteoporose sind möglich.

„Es gibt bis heute keine andere Therapie für Betroffene, als die Vermeidung glutenhaltiger Speisen“, so Stephanie Baas von der Deutschen Zöliakie Gesellschaft in Stuttgart. Alternativen können zum Beispiel Produkte mit Hirse, Kichererbsen oder Reismehl sein.

Ein Bild von Säcken mit Körnern und Mehl
In den meisten Haushalten wird Weizenmehl verwendet. Wer darauf allergisch reagiert, sollte es vielleicht einmal mit alten Getreidesorten versuchen. Bildrechte: Colourbox.de

Neben der Weizeneiweiß-Unverträglichkeit gibt es noch eine Gluten- oder Weizensensitivität, bei der Menschen aus noch unbekannten Gründen beim Verzehr von Getreideprodukten Bauchbeschwerden und andere körperliche Symptome entwickeln können.

Oft falscher Verdacht

Beide Leiden sind aber vergleichsweise selten. Dagegen ist die Gruppe von Menschen ziemlich groß, die Gluten für diverse Leiden verantwortlich machen. „Studien haben gezeigt, dass 90 Prozent derjenigen, die das Gluten in Verdacht haben, es in Wirklichkeit bestens vertragen“, erklärt Darmexpertin Viola Andresen.

Und die Lebensmittelindustrie tut ihr übriges: „Auf vielen Produkten ist vermerkt, sie seien glutenfrei“, sagt Andresen. „Oft auch auf solchen, die ohnehin nie Gluten enthalten haben, wie etwa Fleischwaren. Das wirkt dann wie ein Gütesiegel, und die Produkte sind meist teurer als andere.“ Tatsächlich gab es glutenfreie Produkte früher eigentlich nur im Reformhaus - heute sind sie dagegen in fast allen Supermärkten zu finden. Dabei ist Zöliakie eben keine Volkskrankheit, auch wenn man manchmal den Eindruck gewinnen kann.

Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass tatsächlich die Zahl der Zöliakie-Patienten steigt. Bis vor einigen Jahren ging man davon aus, dass im Durchschnitt rund einer von 1000 bis 2000 Menschen in Deutschland von der Unverträglichkeit betroffen ist. Heute geht man eher von einer Betroffenheit von einer oder einem von 100 Menschen aus.

Moderne Weizensorten sind nicht verantwortlich

Woran das liegt, ist nicht klar. Den Verdacht, dass moderne Weizensorten daran schuld sein könnten, bestätigte eine Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München jedenfalls nicht. Demnach enthält zeitgenössisches Getreide nicht mehr Gluten als alte Sorten. Und die Menge der Bestandteile, die für die eigentliche Unverträglichkeit verantwortlich ist, ist sogar gesunken.

Also müssen die Gründe woanders liegen – doch zweifelsfrei bekannt sind sie noch nicht. Auf jeden Fall hat Zöliakie wohl auch eine genetische Komponente. Das Problem dabei: Zwei Risiko-Moleküle, die sich bei 99 Prozent der Betroffenen finden, kommen auch bei Gesunden vor. Was dafür sorgt, dass die Krankheit in manchen Fällen ausbricht und in anderen nicht, ist nicht wirklich bekannt.

Was aber klar sein muss: Es ist keine gute Idee, sich glutenfrei zu ernähren, wenn man gar nicht dazu gezwungen ist. Und dennoch machen das immer mehr Menschen. In den USA etwa hat sich die Anzahl der Leute, die sich glutenfrei ernähren, in den letzten Jahren mehr als verdreifacht. Gleichzeitig ist die Zahl der an Zöliakie Erkrankten aber fast unverändert geblieben. „Viele denken, eine glutenfreie Ernährung wäre gesünder und könnte beim Abnehmen helfen“, sagt Bianca Maurer von der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft.

Nicht grundlos verzichten

„Es gibt Studien, wonach eine glutenfreie Ernährung langfristig nachteilig ist“, erklärt die Internistin Andresen. „offenbar auch, weil die Menschen dann häufig mehr Fleisch und weniger Getreideprodukte essen. Hinzu kommt, dass Gluten in vielen Produkten, in denen es für Konsistenz und Steifigkeit zuständig ist, ersetzt werden muss – oft durch Reisstärke, die mitunter mit Schwermetallen belastet ist.“ Eine Studie hat gezeigt, dass glutenfreie Produkte mehr Fett und Kohlenhydrate und dagegen weniger Proteine, Eisen und Folsäuren enthalten als Lebensmittel mit Gluten.

„Wenn keine Unverträglichkeit vorliegt, macht Weizen allein den Magen und Darm nicht krank“, sagt auch Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. „Im Gegenteil: Das Getreide gilt sogar als gut bekömmlich, gerade bei Menschen mit empfindlichem Magen." Lebensmittel aus bloßem Verdacht vom Speiseplan zu streichen, schränke die Lebensmittelauswahl unnötig ein. Außerdem würde so Fehl- und Mangelernährung begünstigt.

Ein Zöliakie-Medikament für die tatsächlich Betroffenen ist derzeit in der Erprobung. Es dürfte aber noch Jahre dauern bis es - weitere gute Ergebnisse in den Tests vorausgesetzt – auf dem Markt sein wird. Auch eine Substanz, die zumindest kleine Mengen von Gluten im Körper unschädlich machen kann, wurde zuletzt präsentiert.

Dieses Thema im Programm MDR JUMP am Wochenende | 31. Juli 2022 | 07:10 Uhr

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