Diskussion um Corona-Impfung für Kinder: Was ändert die Delta-Variante?

Die Delta-Variante des Coronavirus gilt als schneller übertragbar. Sie könnte sich vor allem bei Ungeimpften und damit auch bei Kindern und Jugendlichen schnell verbreiten, fürchten Mediziner. Daher wird erneut über die Impfempfehlung für die Jüngeren diskutiert.

Jugendliche Schüler in der Mittagspause in einer Einkaufsstraße in Düsseldorf, NRW.
Bildrechte: IMAGO / Michael Gstettenbauer

Die Corona-Zahlen in Deutschland sinken weiter. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt nur noch knapp über fünf. Gleichzeitig steigt der Anteil der Delta-Variante des Virus an den Infektionen deutlich. Laut Robert-Koch-Institut dürfte inzwischen fast jede zweite Neuinfektion in Deutschland auf die ansteckendere Delta-Variante zurückzuführen sein. Vor der Delta-Variante schützen die bisher zugelassenen Impfstoffe offenbar. Für Ungeimpfte könnte die Ausbreitung der Virusvariante aber gefährlich sein.

Lauterbach: Stiko sollte eingeschränkte Impfempfehlung für Kinder überdenken

Erst rund ein Drittel der Menschen in Deutschland ist zweimal geimpft und damit nach aktuellem Wissensstand auch gut gegen die Delta-Variante des Corona-Virus geschützt. Viele Millionen Menschen haben diesen Schutz aber noch nicht. Dazu gehören auch Kinder und Jugendliche. Für alle unter 12 Jahren ist bislang kein Impfstoff zugelassen. Für die 12- bis 18-Jährigen empfiehlt die Ständige Impfkommission in Deutschland (Stiko) eine Impfung nur bei Vorerkrankungen. Laut einer Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung gilt das für etwa elf Prozent der Kinder in dieser Altersgruppe.

Der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD) hat jetzt mit Blick auf den Vormarsch der Delta-Variante die Ständige Impfkommission aufgefordert, die Empfehlung für Corona-Impfungen von Kindern zu überdenken. Die Stiko begründe ihre Entscheidung damit, dass Covid-19 für Kinder harmlos sei. Dazu sagte Karl Lauterbach in einem Interview mit der „Rheinischen Post“:

Für die Delta-Variante gilt dies meiner Ansicht nach aber nicht.

In Großbritannien würden bereits viele Kinder mit Covid-19 in Krankenhäusern behandelt. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie Carsten Watzl geht weiter davon aus, dass Kinder ein geringeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. Es werde aber im Herbst in Schulen und Betreuungseinrichtungen zu Ausbrüchen kommen. Dagegen komme man mit Impfungen oder Frischluftkonzepten an. Watzl sagte im ZDF an Eltern gewandt:

Überlegen sie es sich, ob sie ihre Kinder nicht doch impfen lassen wollen.

Marschall: Uns fehlen noch die Daten für eine begründete Empfehlung

Die leitende Medizinerin der BARMER, Dr. Ursula Marschall, rät Eltern dagegen aktuell dazu, mit dem Impfen von Kindern und Jugendlichen noch abzuwarten. Kinder erkrankten meist nur leicht oder zeigten in manchen Fällen auch gar keine Krankheitssymptome, wenn sie sich mit SARS-CoV-2 ansteckten. Todesfälle gab es bei den Jüngeren nur ganz wenige. Gleichzeitig seien die Langzeiterfahrungen zu möglichen Nebenwirkungen des Impfstoffes bei Kindern noch zu gering. Die Medizinerin sagte MDR JUMP:

Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der BARMER
Bildrechte: BARMER

Die Daten sind noch nicht so valide, dass man eine begründete Empfehlung geben kann. Daher ist die Stiko auch so zurückhaltend. Wir haben Hinweise aus Israel und auch aus Norwegen, dass diese Impfung gerade bei Kindern und Jugendlichen auch zu einer Herzmuskelentzündung führen kann.

Diese Entzündung könne zwar ohne Folgen wieder ausheilen.

Aber es besteht auch die Möglichkeit, dass ich dann nach so einer Entzündung eine bleibende Herzschwäche habe. Und das mit vielleicht 13, 14 Jahren ohne Not.

Bei Kindern mit schweren Vorerkrankungen, bei kranken Kindern oder auch Kindern in einem Umfeld, in dem sich andere Menschen nicht impfen lassen können, sei der Nutzen der Impfung dagegen höher zu bewerten als das Risiko. Bei diesen Kindern wäre eine Impfung sinnvoll, so die BARMER-Medizinerin. Wenn sich Eltern bei Kindern ohne Vorerkrankung gegen die Stiko-Empfehlung für das Impfen entscheiden, sei das für alle ab 12 derzeit auch möglich.

Wir haben aber immer noch Impfstoffknappheit in Deutschland. Damit kann der Hausarzt oder das Impfzentrum ohne weiteres ablehnen, die Kinder und die Jugendlichen zu impfen, wenn keine schweren Vorerkrankungen vorliegen.

Die Zulassung von weiteren Impfstoffen für Kinder kann noch dauern

Bisher ist mit Comirnaty von Biontech in der EU nur ein Impfstoff für Kinder und Jugendliche zugelassen. Der darf auch nur an alle ab zwölf verimpft werden. Derzeit sei offen, ob bald auch andere Impfstoffe zugelassen sind und die auch für Jüngere genutzt werden dürfen. BARMER-Medizinerin Marschall:

Die gesamten Studien laufen auf Hochtouren. Jeder Impfstoffhersteller möchte selbstverständlich seinen Impfstoff so breit wie möglich einsetzen. Aber gerade bei Kindern und Jugendlichen gelten ganz bestimmte Studienbedingungen, weil sie ganz besonders geschützt werden müssen. Vor Nebenwirkungen und Risiken, die natürlich gerade bei so jungen Kindern und Jugendlichen schwere Folgen haben können.

Daher könne dieser Prozess auch nicht beschleunigt werden.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa und AFP.

Dieses Thema im Programm MDR JUMP - Die Themen des Tages | 29. Juni 2021 | 19:20 Uhr

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