Bier und Wein – besser erst ab 18?
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Schon römische Gesichtsschreiber berichteten von der Liebe der Deutschen zum Alkohol. Seitdem hat sich nicht viel geändert. Sollten junge Menschen später anfangen dürfen zu trinken? Ein entsprechender Vorschlag liegt nun auf dem Tisch.

Sagen wir, wie es ist: Wir sind ein Land der Trinkerinnen und Trinker. Im weltweiten Vergleich hat Deutschland einen der höchsten Alkoholkonsumwerte überhaupt. Nach einer Statistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden hierzulande pro Kopf und Jahr 12,9 Liter reiner Alkohol getrunken. Das entspricht ungefähr 2,6 Flaschen Wein oder 5 Liter Bier pro Woche und Person ab 15 Jahren.
Mehr als ein Drittel der Erwachsenen (34 Prozent) trinkt mindestens einmal im Monat viel, also nach Definition der Statistiker bei einer Gelegenheit gleich mal mehr als 80 Prozent einer Flasche Wein oder 1,5 Liter Bier. Laut dem Bericht sind in Deutschland 3,5 Prozent der Erwachsenen alkoholabhängig.
Alkoholmissbrauch schädigt das Gehirn. Die Leitungsbahnen und Nervenfasern der sogenannten weißen Substanz, die fast die Hälfte unseres Denkorgans ausmacht, sind dabei betroffen. Das Statistische Bundesamt zählt pro Jahr etwa 300.000 Patienten, die wegen Alkoholmissbrauchs stationär behandelt werden mussten. Davon sind weit mehr als 10.000 Kinder und Jugendliche. Psychische und physische Störungen wegen Alkohol belegen stets einen der vorderen Plätze der bundesweiten Krankheitsstatistik.
Vorstoß des Drogenbeauftragten
„Eine traurige Bilanz, denn hinter diesen Zahlen stehen Einzelschicksale“, so Ann-Katrin Stock. Sie erforscht am Dresdner Uniklinikum die Grundlagen der menschlichen Handlungskontrolle. Sie weiß, dass Hirnschäden nicht nur beim Rauschtrinken selbst auftreten, sondern sich insbesondere während der ersten Phasen des Entzugs verstärken. Und diese entzugsbedingten Schäden tragen wiederum dazu bei, bestehende Suchtstörungen aufrechtzuerhalten. Ein Teufelskreis.
Das alles sollte man zumindest wissen, wenn man über einen neuen Vorschlag redet, den der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, kürzlich gemacht hat: Junge Menschen sollen in Zukunft nicht mehr so einfach an Alkohol kommen, lautet seine Idee. „Für mich sprechen viele medizinische Argumente dafür, das Erwerbsalter für Bier, Wein und Schaumwein auf 18 Jahre zu erhöhen“, so Blienert.
Vielen Menschen sein nicht klar, „wie groß der gesellschaftliche Schaden durch Tabak und Alkohol ist“, so der Drogenbeauftragte. „Wir müssen von einem freien Wildwuchs sukzessive zu einem regulierten, kontrollierten Umgang mit Tabak und Alkohol kommen. Die Verfügbarkeit ist zu niedrigschwellig.“
Frage der politischen Durchsetzbarkeit
Besonders hart ins Gericht ging der zweifache Vater mit dem sogenannten begleiteten Trinken ins Gericht. Laut Jugendschutzgesetz dürfen aktuell Jugendliche ab 14 Jahren im Beisein einer sorgeberechtigten Person Bier, Wein oder Sekt trinken. Das gehe „so gar nicht“, sagte Blienert.
Der Verkauf und das Trinken in der Öffentlichkeit sind derzeit ab 16 Jahren erlaubt. Ob und wann sich das ändert, wird sich zeigen. Man müsse sehen, „was politisch möglich ist“, so der Drogenbeauftragte.
Alkohol zu trinken, das ist – bei allen negativen Folgen – tatsächlich schon seit langer, langer Zeit eine gesellschaftlich akzeptierte Form des Drogenkonsums. Vor 1900 Jahren schon hat der römische Historiker Tacitus von einem „heiligen Getränk“ berichtet, dass die Germanen großzügig genössen, um sich dann wüsten Schlägereien zu liefern – Bier.
Dass Alkohol seit Ewigkeiten dazugehört heißt natürlich nicht, dass sich gesellschaftliche Normen zum Umgang damit nicht ändern können, aber das braucht oft einen langen Atem. Experten, etwa von der Landesstelle für Suchtfragen in Niedersachsen, unterstützen den Vorschlag des Drogenbeauftragten: „Rein medizinisch gibt es überhaupt keinen Grund, dass der Alkohol von Bier und Wein weniger gefährlich sein soll als der von Schnaps“, so Vorsitzende Evelyn Popp. Auch sie spricht sich für ein Ende des begleiteten Trinkens aus.
Was man aber auch sagen muss: Der Anteil der Jugendlichen in Deutschland, die mindestens einmal in der Woche Alkohol trinken, geht langfristig zurück – wenngleich der Trend nicht ungebrochen ist. Außerdem zeigen Erhebungen, dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene in der Coronakrise mehr getrunken haben als ältere Menschen. Konkret war es wohl so, dass junge Menschen erst seit der Pandemie häufiger Alkohol trinken, wohingegen ältere Generationen dies bereits vorher getan hatten. Volk der Trinkerinnen und Trinker, wie gesagt.
„Da besondere Gelegenheiten seit Corona fehlen, greifen junge Menschen nun häufiger zu Bier, Sekt und Co. – offenbar auch aus Langeweile, Frust und Perspektivlosigkeit“, sagt so Suchtexperte Michael Falkenstein von der Krankenkasse KKH. Andererseits sind die stationären Einweisungen wegen einer Alkoholvergiftung bei Jugendlichen zuletzt gesunken.