Essen, Navi bedienen oder Telefonieren: So gefährlich ist Ablenkung im Straßenverkehr
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Trinken, Telefonieren oder Textnachrichten lesen – die Liste möglicher Unfallquellen ist lang. Experimente zeigen, wie lange wir teils im Blindflug unterwegs sind, wenn wir im Auto Multitasking betreiben.

Schwups, schon ist es passiert. Bei mehr als jedem vierten Verkehrsunfall in Deutschland spielt Ablenkung eine Rolle. Das hat eine repräsentative Studie im Auftrag des Direktversicherers DA Direkt ergeben. Konkret war Ablenkung bei 27 Prozent der ausgewerteten Fälle zumindest beteiligt, bei acht Prozent war es sogar die alleinige Ursache. Nun muss man sagen, dass bei dieser Auswertung auch Ablenkung durch schlechte Wetterbedingungen oder veränderte Straßenführungen erfasst wurden, diese gehörten sogar zu den Hauptrisiken, wie sich zeigte.
„Selbst ein kurzer Moment der Ablenkung steigert das Unfallrisiko. Vielen ist das bewusst, andererseits ist Ablenkung ein stark unterschätztes Unfallrisiko“, heißt es bei der Unfallforschung der Versicherer (UDV). „Nach Stand der Forschung machen ablenkende Tätigkeiten am Steuer rund ein Fünftel der Fahrzeit aus“, so Christoph Lauterwasser vom Allianz Zentrum für Technik.
Essen und Trinken im Auto, am Navi ein neues Ziel einstellen, Telefonieren oder das Lesen von Textnachrichten – die Liste möglicher Unfallquellen ist lang. Aber auch laute Musik, Podcasts oder Hörbücher sind ein Problem, Diskussionen mit anderen Leuten im Auto. Die Automobilclubs ADAC in Deutschland und ÖAMTC in Österreich haben in Experimenten in einem Fahrtechnikzentrum untersuchen lassen, welche fatalen Folgen drohen.
Unterwegs im Testparcours
Dafür mussten 45 Teilnehmer mit Auto, Fahrrad oder E-Scooter jeweils drei Runden auf einem Testparcours absolvieren – ohne dass man ihnen weitere Hinweise gegeben hatte. Zunächst ging es nur darum, Tempolimits und Verkehrszeichen zu beachten. Anschließend gab es per Funk Aufgaben, mit denen die Fahrenden gezielt abgelenkt wurden, um ihre Reaktion zu untersuchen und zu vergleichen.
Die Autofahrer sollten zum Beispiel eine Packung Taschentücher aus dem Handschuhfach holen, eines herausnehmen und an einen Mitfahrer auf dem Rücksitz weiterreichen - und dann die Packung auf den Beifahrersitz legen. Das Ergebnis: Zwei Drittel der Testpersonen gerieten für 1,5 bis 2,6 Sekunden auf die Gegenfahrbahn. Und weil sie außerdem durchschnittlich für drei Sekunden den Blick von der Fahrbahn abwandten, legten sie rund 35 Meter im Blindflug zurück.
Und der Klassiker, das Smartphone: Hier sollten Probanden das Telefon vom Beifahrersitz nehmen, eine Textnachricht lesen beantworteten – und dann wurde ausgewertet: Im Durchschnitt ging der Blick insgesamt 14-mal weg von der Straße, das summierte sich auf 140 blind gefahrenen Meter auf. Ein Drittel der Teilnehmer überfuhr die Mittellinie und blieb teilweise für 3,5 bis vier Sekunden beziehungsweise 35 Meter auf der falschen Straßenseite.
Auch Fußgänger oder E-Scooter-Fahrer können abgelenkt sein
Das kann zur potenziell tödlichen Gefahr werden. Zumal andere Verkehrsteilnehmer womöglich ähnlich unaufmerksam unterwegs sind. So zeigten etwa die Versuche mit E-Scooter-Fahrern, dass diese beim Lesen und Beantworten von Textnachrichten merklich unsicherer fuhren. Und auch Fußgänger daddeln ja gern mal an ihrem Handy herum, wenn sie im öffentlichen Raum unterwegs sind – auch das birgt Gefahren.
Rund 44 Prozent aller Jugendlichen sind nach einer Befragung schon einmal in eine brenzlige Situation geraten, weil sie im Straßenverkehr durch ihr Smartphone abgelenkt waren.
Positive Signale – bei ziemlich mieser Gesamtbilanz
Aber wer hinter dem Steuer eines motorisierten Fahrzeugs sitzt, den trifft natürlich eine besondere Verantwortung – und an der scheitern offenbar viele Menschen. Befragungen haben ergeben, dass etwa jeder fünfte Autofahrer bei jeder oder fast jeder Fahrt sein Smartphone nutzt. Das betrifft gerade viele junge Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren, hier liegt die Quote bei einem Drittel, die fast bei jeder Fahrt das Gerät in der Hand haben. Immerhin, es gibt wohl eine positive Entwicklung. Die Smartphone-Nutzung nimmt in dieser Altersgruppe demnach zumindest leicht ab.
Damit es auch mal gesagt ist: Ablenkung an Steuer und Lenker ist nicht nur gefährlich - sie kann auch teuer werden. Die Straßenverkehrsordnung untersagt das Telefonieren mit dem Handy am Ohr. Hier werden 100 Euro fällig, dazu gibt es einen Punkt in Flensburg. Auch texten ist nicht erlaubt. Selbst das Wegdrücken von Anrufern oder das Schauen nach der Uhrzeit gehen eigentlich nicht. Die Verbote gelten übrigens nicht nur im Auto, sondern auch auf dem Rad. Hier kostet es 55 Euro, das Handy in der Hand zu halten.
Dieses Thema im Programm MDR JUMP am Wochenende | 24. April 2022 | 11:37 Uhr